Ein Monat voller Socken

Die Herbsttage sind mild, die Sonnenstunden reichlich und die Menschen erfreuen sich am sogenannten Goldenen Oktober. Eine Bezeichnung, die in meinen Ohren genauso abgedroschen klingt wie der Wonnemonat Mai. Eigentlich verwunderlich, dass noch niemand den Frostfebruar als geflügeltes Wort etabliert hat. Jedenfalls saßen wir gerade beim Sonntagnachmittagstee im Wohnzimmer meiner Eltern, als mich ein ganz anderes Wort für den Oktober aufhorchen ließ: Socktober! Auf eine kurze Nachfrage folgte die Erklärung, dass es sich dabei um ein Portemanteau aus den Worten Socken und Oktober handelt. „Hübsch!“, dachte sich mein innerer Wortspielkünstler und fing an, andere Beispiele zu basteln. Währenddessen fragte ich meine Mama, die diesen Begriff in die Diskussion geworfen hatte: „Und was macht man im Socktober?“. „Na, Socken stricken!“, kam ihre Antwort.

An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass Mama eine begeisterte Strickerin ist, die Dinge aus Garn erschaffen kann, welche mich immer wieder in Erstaunen versetzen. Und manchmal auch in Freude und Dankbarkeit, wenn eines ihrer Werke für mich bestimmt ist. Die von ihr gezauberten Handwärmer möchte in an kalten Tagen nicht mehr missen! Auf der Suche nach Inspiration und neuen Mustern surft Mama gern im Internet und dort ist Socktober gerade voll im Trend. Viele Designer veröffentlichen neue Sockenanleitungen und alles werkelt an hübschen Fußbedeckungen. Und auch Mama hat ein neues Paar auf den Nadeln. Ich sagte „Schön! Bin schon gespannt, wie sie fertig aussehen!“, und wandte mich dem nächsten Gesprächsthema zu.

Einige Tage später musste ich unerwartet wieder an diesen Austausch denken, als ich im Internet über den Begriff Flosstober stolperte. „Was ist das denn wieder?“, fragte ich mich und begann eine Recherche. Ich staunte nicht schlecht zu lernen, wie viele -tober es noch gibt! Meist steckt dahinter eine Herausforderung, an jedem Tag des Monats Oktober eine bestimmte Tätigkeit auszuführen. Also zeichnen die Leute. Oder sie sticken. Oder malen sich die Nägel an. Es gibt nichts, was es nicht gibt!  Um es anspruchsvoller zu gestalten, wird für jeden Tag ein Thema festgelegt, das von den Teilnehmern umgesetzt werden soll. Über das Internet werden dann die Ergebnisse ausgetauscht, die Werke anderer bewundert, sich gegenseitig motiviert, … Ich kann mir vorstellen, warum sich solche Herausforderungen und die zugehörigen Gemeinschaften schnell zu Trends entwickeln. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass dieses Phänomen auch bei den Strickenthusiasten Fuß gefasst hat. (Bei diesem Wortwitz hat sich mein innerer Wortspielkünstler aber Mühe gegeben, meint ihr nicht?)

Ich fragte mich gerade, ob im Zuge des Socktobers denn jeden Tag ein Paar Socken gestrickt werden müssen – eine gewaltige Aufgabe! –, als ich auf eine Internetseite über die Ursprünge des Wortes stieß: Im Jahr 2011 dachte der US-Amerikaner Brad Montague darüber nach, wie er der zunehmenden Zahl an Obdachlosen in seiner Heimatstadt helfen könnte. Er fragte bei Hilfsorganisationen nach und fand heraus, dass kaum Socken gespendet werden, obwohl sie im bevorstehenden Winter von vielen verzweifelt gebraucht werden. Brad beschloss daher, Socken an Bedürftige zu verschenken. Seine Gaben überreichte er den Menschen zusammen mit den Worten „Happy Socktober!“. Seine Idee verbreitete sich über Videos und bald gab es weitere Sockenschenker, die an der Aktion teilnahmen. Mittlerweile ist Socktober sogar ein weltweites Phänomen. Viele Hilfsorganisationen beteiligen sich und rufen die Menschen zu Spenden auf.

Gut möglich, dass viele Strickbegeisterte nicht wissen, dass es sich beim Socktober eigentlich um eine Wohltätigkeitsaktion handelt. Stattdessen hören sie „Socken!“ und stricken los, auch angeregt durch die vielen neuen Anleitungen, die die Designer auf den Markt werfen. Im Grunde schon ein guter Anfang. Fehlt eigentlich nur der Teil, in dem die fertigen Socken an Bedürftige verschenkt werden, damit der Socktober für alle ein Monat voller Socken ist! Das wärmt dann nicht nur die Zehen sondern auch das Herz.

Abbildung eines gestrickten Paars Socken mit einem kleinen gestrickten Herz darauf